VG Karlsruhe - Entscheidung vom 24.08.2023, Az.: 12 K 678/23
Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte in dem o.g. Gerichtsverfahren die Frage zu klären, ob eine Aufstiegserlaubnis zum Betrieb von Flugmodellen, die im Jahr 1980 erteilt worden war, nach dem 01.01.2022 noch gültig ist. Diese Aufstiegserlaubnis hatte seit ihrer Erteilung verschiedene Änderungen erfahren. Streitpunkt der Parteien war eine Höhenbegrenzung auf 100 m GND. Ziel des klagenden Vereins war die dauerhafte Aufhebung der Höhenbegrenzung, um auf Basis der Aufstiegserlaubnis aus dem Jahr 1980 weiter seinen Flugbetrieb durchführen zu können.
1. Ungültigkeit der Aufstiegserlaubnis aus dem Jahr 1980
Das Verwaltungsgericht Karlsruhe stellte fest, dass die Gültigkeit der streitgegenständliche Aufstiegserlaubnis (mit all ihren Ergänzungen und Änderungen) am 02.01.2022, 0 Uhr entfallen ist. Diese Ungültigkeitsfolge leitet das Gericht aus Art. 21 Abs. 1 DVO (EU) 2019/947 (im Folgenden „DVO“ abgekürzt) ab.
a) Gültigkeitsende gem. Art. 21 Abs. 1 DVO
Art. 21 Abs. 1 DVO regelt, dass sämtliche Legitimationspapiere, die Betreibern von unbemannten Luftgeräten (= unbemannte Luftfahrtsysteme und Flugmodelle) nach nationalen Regelungen ausgestellt worden sind, bis einschließlich 01.01.2022, 24 Uhr gültig bleiben. Ergo entfällt deren Gültigkeit ab dem 02.01.2022, 0 Uhr.
Das Gericht führt umfassend aus, weshalb diese europäische Regelung in Deutschland Anwendung findet.
Ferner erkennt es, dass die streitgegenständliche Aufstiegserlaubnis gem. Art. 21 Abs. 2 DVO keine Umwandlung erfahren hat, so dass sie den Regelungen der DVO nicht entspricht.
b) Sonderregelung nach Art. 21 Abs. 3 DVO
Eine Befassung mit Art. 21 Abs. 3 DVO findet nicht statt. Dies ist auch nicht veranlasst gewesen, da die Gerichtsentscheidung nach dem 02.01.2023 getroffen wurde, nämlich am 24.08.2023. Die besonderen Übergangsregelungen des Art. 21 Abs. 3 DVO für „UAS-Betrieb im Rahmen von Flugmodell-Vereinen und -Vereinigungen“ konnten daher nicht mehr einschlägig sein.
Dennoch erscheint ein Blick auf Art. 21 Art. 3 DVO veranlasst. Denn zuletzt ist die Ansicht verbreitet worden, Art. 21 Abs. 3 DVO bestätige, dass Alterlaubnisse[1] weiterhin unbegrenzt gültig seien.
Zunächst ist festzustellen, dass der Wortlaut des Art. 21 Abs. 3 DVO keine Verschiebung des Gültigkeitsendes für „UAS-Betrieb im Rahmen von Flugmodell-Vereinen und -Vereinigungen“ enthält. Der Wortlaut ist auf die Berechtigung der Fortführung dieses speziellen UAS-Betriebs in entsprechender Anwendung nationalen Rechts bis längstens 01.01.2023, 24 Uhr gerichtet[2].
Aus diesem Wortlaut folgt:
- Das Gültigkeitsende aller bisherigen nationalen Legitimationspapiere gem. Art. 21 Abs. 1 DVO wird in Abs. 3 nicht angetastet oder auch nur berührt.
- Ausgehend von der angeordneten und nach dem 01.01.2022 eingetretenen Ungültigkeit aller bisherigen nationalen Legitimationspapiere gem. Art. 21 Abs. 1 DVO – so auch für den „UAS-Betrieb im Rahmen von Flugmodell-Vereinen und -Vereinigungen“ – wird in Art. 21 Abs. 3 DVO eine gesetzliche Interimsbefugnis ausgesprochen, nach der (ausnahmsweise) ohne eine Genehmigung nach Art. 16 DVO bis längstens 01.01.2023, 24 Uhr in fiktiver Anwendung der nationalen Reglungen weiter Modellflug betrieben werden darf[3]. Diese gesetzliche Fiktivanwendung bisherigen nationalen Rechts basiert auf der guten Sicherheitsbilanz des Modellflugs und erschöpft sich in dem Sinn und Zweck, dem Modellflug einen verlängerten Zeitraum einzuräumen, um ihm die zwingende Umstellung gem. Art. 21 Abs. 2 DVO zu erleichtern.
- Eine wie auch immer geartete Bestätigung einer (dauerhaften) Fortgeltung bisheriger nationaler Aufstiegserlaubnisse für Flugmodelle ist in Art. 21 Abs. 3 DVO weder angesprochen noch seinem Sinn und Zweck zu entnehmen. Ein solcher Inhalt würde im Übrigen dem erklärten Willen des europäischen Verordnungsgebers in seinem Kernanliegen widersprechen, für den UAV-Betrieb einen einheitlichen europäischen Rechtsrahmen zu schaffen und dafür mit Ablauf des 01.01.2022 alle bisherigen nationalen Legitimationspapiere (welcher Art auch immer) auslaufen zu lassen. Dies wäre schlicht nicht möglich, wenn im Bereich des Modellflugs Alterlaubnisse (und ggf. noch andere Legitimationspapiere) fortgelten würden. Es kann insoweit auf die Ausführungen im Urteil ab Seite 26 verwiesen werden (Entscheidungsgründe Abschnitt I. Ziff. 1 b) aa) (2) (b) (bb) (ββ) ff).
2. Unanwendbarkeit von Alterlaubnissen im Rahmen erteilter Verbandsbetriebsgenehmigungen
Das Luftfahrt-Bundesamt hat mit Bescheiden vom 05.07.2022 dem Deutschen Modellflieger Verband e.V. (im Folgenden „DMFV“ abgekürzt) wie dem Modellflugsportverband Deutschland e.V. (im Folgenden „MFSD“ abgekürzt) jeweils eine Verbandsbetriebsgenehmigung gem. Art. 16 DVO i.V.m. § 21g LuftVO n.F. erteilt.
a) Die „Berechtigung zum Abweichen“
Damit ist es verbandsangehörigen Modellfliegern (und deren Gäste) gem. § 21f Abs. 1 LuftVO n.F. gestattet, abweichend von den Regelungen der DVO ihre Flugmodelle zu betreiben, sofern sie sog. „einschlägige verbandsinterne Verfahren“[4] und einzelne genau bezeichnete Bestimmungen aus UAS.OPEN.060 Nr. 2 i.V.m. Nr. 4[5] einhalten.
An dieser Stelle darf Folgendes festgehalten werden:
- Weder Alterlaubnisse der Landesluftfahrtbehörden
- noch Erlaubnisse gem. § 21f Abs. 3-6 LuftVO n.F.
können nach dem Wortlaut des Gesetzes in § 21f Abs. 1 LuftVO dazu berechtigen, Flugmodelle abweichend von den Regelungen der DVO zu betreiben. Denn Alterlaubnisse und Erlaubnisse gem. § 21f Abs. 3 LuftVO n.F. finden in § 21f Abs. 1 LuftVO n.F. als taugliche „Abweichungs“-Grundlagen bzw. „Abweichungs“-Berechtigung keine Erwähnung. Dies entspricht auch der europarechtlichen Vorgabe aus Art. 5 Abs. 6 DVO. Danach wird bei UAV-Betrieb im Rahmen eines Flugmodell-Vereins oder einer Flugmodell-Vereinigung keine Genehmigung nach Art. 12 DVO benötigt, wenn eine entsprechende Genehmigung gemäß Art. 16 DVO vorliegt. Die Erteilung eben dieser Genehmigung nach Art. 16 DVO ist in Deutschland in § 21g LuftVO n.F. umgesetzt, wie der Wortlaut dieser Regelung in dessen Abs. 1 klar und deutlich mitteilt. Alterlaubnisse oder Erlaubnisse gem. § 21f Abs. 3-6 LuftVO n.F. werden hingegen in der LuftVO nicht als Genehmigungen gemäß Art. 16 DVO bezeichnet oder qualifiziert. Konsequenz daraus ist, dass Alterlaubnisse und/oder Erlaubnisse gem. § 21f Abs. 3-6 LuftVO n.F. weder Inhalt noch Wirkung einer Genehmigung gemäß Art. 16 DVO haben bzw. entfalten können.
b) Regelungsziel und Rechtscharakter von Alterlaubnissen im Vergleich zu Erlaubnissen gem. § 21f Abs. 3-6 LuftVO n.F.
Alterlaubnisse stellen nach ihrem charakteristischen Regelungsziel, welches aus § 21a LuftVO a.F. (bzw. Vorgängernormen) folgt, in sich abgeschlossene vollumfängliche Betriebserlaubnisse dar. Sie sind Ergebnis einer insoweit durchgeführten vollumfänglichen Risikoabschätzung und -bewertung der zuständigen Landesluftfahrtbehörde. Ihnen ist ihrem Rechtswesen nach insbesondere nicht zu eigen, dass sie auf einer anderen luftrechtlichen Betriebserlaubnis aufbauen oder zu einer anderen luftrechtlichen Betriebserlaubnis in Bezug stehen – schon gar nicht in einem akzessorischen Verhältnis.
Aufgrund ihres vollumfänglichen und eigenständigen Erlaubnischarakters unterscheiden sich Alterlaubnisse grundlegend von Erlaubnissen gemäß § 21f Abs. 3-6 LuftVO n.F.
- in ihrer grundlegenden Qualität, aber auch
- in ihren Genehmigungsvoraussetzungen[6] und
- ihren Genehmigungswirkungen.
Schon die wörtliche Gegenüberstellung zeigt, dass es sich bei § 21f Abs. 3-6 LuftVO n.F. nicht um eine bloße Anpassung von § 21a LuftVO a.F. ohne inhaltliche Relevanz handelt. Tatsächlich ist sogar das frühere Hauptgenehmigungskriterium[7] nicht übernommen worden[8].
c) Die neue „21f-Erlaubnis“[9]
Neue „21f-Erlaubnisse“ können lediglich kontrollierenden und ggf. ergänzenden Charakter haben. Sie sind nämlich überhaupt nur erteilbar bzw. können nur Erlaubniswirkung entfalten, wenn der Flugmodellbetreiber berechtigt und willens ist, sein Flugvorhaben unter Anwendung einer gültigen Verbandsbetriebsgenehmigung gem. § 21g LuftVO n.F. i.V.m. Art. 16 DVO durchzuführen.
(1) Gültige Verbandsbetriebsgenehmigung mit allen Betriebsbedingungen
Diese gültige Verbandsbetriebsgenehmigung muss bereits alle notwendigen Bedingungen für den Modellflugbetrieb enthalten und vorgeben, weil andernfalls die Privilegierung/Ausnahme des Modellflugs gemäß Art. 5 Abs. 6 DVO (= Entfall einer Genehmigung gemäß Art. 12 DVO) nicht gerechtfertigt ist bzw. nicht eintreten kann[10].
(2) Gegenstand der 21f-Erlaubnis
Gegenstand einer 21f-Erlaubnis kann daher nur und ausschließlich die Prüfung und Kontrolle darstellen, ob der erlaubnisbedürftige[11] Modellflugbetrieb die in der Genehmigung nach Art. 16 DVO vorgegebenen Bedingungen bzw. Risikominderungsmaßnahmen in Bezug auf die konkrete örtliche Betriebssituation einhält. Weiters kann Gegenstand der Prüfung und Kontrolle sein, ob sich der beantragte Modellflugbetrieb insbesondere in die jeweilige örtliche Luftverkehrssituation ohne konkrete Gefährdung des übrigen Luftverkehrs einfügt.
An dieser Stelle kann § 29 LuftVG Bedeutung zukommen, als eine 21f-Erlaubnis nicht rechtmäßig erteilt werden kann, wenn sie aufgrund des Vorliegens der Tatbestandsmerkmale für ein luftaufsichtsrechtliches Einschreiten wieder „kassiert“ werden müsste[12]. Der dt. Verordnungsgeber wollte mit Blick auf die europäische risikobasierte Kategorisierung der UAS-Betriebsarten[13] und die Mindestflughöhe nach SERA[14] den Landesluftfahrtbehörden eine lokale Vorab[15]-Kontrollmöglichkeit schaffen und zwar insbesondere in Ansehung des Betriebs von Flugmodellen über 12 kg MTOM. Denn diese Flugmodelle dürfen – anders als UAV der „offenen“ Kategorie – aufgrund erteilter Verbandsbetriebsgenehmigung im gesamten Luftraum G betrieben werden, mithin über 120 m GND bis max. 762 m GND[16]. Ziel des dt. Verordnungsgebers war es zudem, die Verantwortung der Verbände, die eine Betriebsgenehmigung gemäß Art. 16 DVO i.V.m. § 21g LuftVO n.F. erwerben, an dieser Stelle überschaubar zu halten. Leider hat der dt. Verordnungsgeber diesen Umstand in seiner Begründung zur Verordnungsinitiative nicht weiter ausgeführt.
d) Fazit:
- Nur Verbandsbetriebsgenehmigungen gem. § 21g LuftVO n.F. stellen Betriebsgenehmigungen gem. Art. 16 DVO dar. Nur eine Genehmigung nach Art. 16 DVO berechtigt verbandsangehörige „Luftsportfernpiloten“ zum „abweichenden Modellfliegen von der DVO“ gem. § 21f Abs. 1 LuftVO n.F.
- Inhalte einer 21f-Erlaubnis berechtigen nicht zum „abweichenden Fliegen“ gem. § 21f Abs. 1 LuftVO n.F. Alterlaubnisse ebenso wenig.
- Alterlaubnisse sind das Ergebnis einer umfassenden Risikobewertung eines konkret beantragten Modellflugbetriebs am Maßstab des § 21a Abs. 3 LuftVO a.F. gewesen. In Alterlaubnissen sind alle Bedingungen festgelegt worden, die für den beantragten Modellflugbetrieb aus Sicherheitsgründen einzuhalten waren. Sie galten eigenständig und standen in keinem Verhältnis zu einer anderen Betriebsgenehmigung, insbesondere nicht zu einer Verbandsbetriebsgenehmigung.
- Alterlaubnisse sind gem. Art. 21 Abs. 1 DVO mit Ablauf des 01.01.2022 ungültig geworden.
- Der Übergangszeitraum gem. Art. 21 Abs. 3 DVO, in welchem das nationale Recht (welches per 01.01.2022, 24 Uhr bestand) noch als (europäische) Fiktion im Rahmen einer gesetzlichen Interimsbefugnis für den Modellflug anwendbar blieb, ist am 01.01.2023, 24 Uhr abgelaufen. Seither haben Alterlaubnisse auch keinen fiktiven gesetzlichen Anwendungsbereich mehr.
- 21f-Erlaubnisse sind akzessorische Erlaubnisse. Sie erfordern das Vorliegen einer gültigen Verbandsbetriebsgenehmigung gem. § 21g LuftVO n.F. i.Vm. Art. 16 DVO und bauen auf einer solchen Verbandsbetriebsgenehmigung auf.
- 21f-Erlaubnisse sind nicht das Ergebnis einer umfassenden Risikobetrachtung des beantragten Modellflugbetriebs. Es wird vielmehr nur überprüft und kontrolliert, ob die Sicherheitsanforderungen, die in der Verbandsbetriebsgenehmigung definiert sein müssen, in der konkret-lokalen Betriebssituation eingehalten werden können und sich der beabsichtigte Modellflugbetrieb in den übrigen örtlichen Luftverkehr einfügt[17]. Insoweit liegt ein gewisser Fokus auf Modellflugbewegungen mit Flughöhen über 120 m GND.
- Alterlaubnisse und 21f-Erlaubnisse unterscheiden sich in Rechtswesen, Rechtsvoraussetzungen und Rechtswirkungen grundlegend voneinander; insbesondere können Alterlaubnisse nicht im Rahmen einer Verbandsbetriebsgenehmigung gem. § 21g LuftVO n.F. i.V.m. Art. 16 DVO Anwendung finden oder Geltung haben, weil sie für den Betriebsraum der „speziellen“ Kategorie nicht erteilt worden sind. Eine solche Geltung würde überdies die Ausnahme in Art. 5 Abs. 6 DVO überstrapazieren. Freilich ist es aber den Landesluftfahrtbehörde unbenommen, Alterlaubnisse per Bescheid oder Allgemeinverfügung insoweit aufrecht zu erhalten, als Alterlaubnisse Regelungen enthalten, die Gegenstand einer 21f-Erlaubnis sein können.