Der Begriff „Verbandsbetriebsgenehmigung“ (bzw. "VBG") findet im Gesetz, insbesondere in § 21g LuftVO (neue Fassung = n.F.) keine Erwähnung. Der Begriff legt nahe, dass mit dieser Genehmigung der Betrieb von Flugmodellen im Verbandsrahmen erlaubt wird. Tatsächlich ist das aber nicht der Fall. Der Begriff ist tatsächlich einigermaßen irreführend.
Ein Blick in § 21g Abs. 1 LuftVO (n.F.) offeriert, dass bei dieser Genehmigung der Betrieb von Flugmodellen überhaupt nicht gegenständlich ist. § 21g Abs. 1 LuftVO (n.F.) definiert ganz konkret und exakt zwei Berechtigungen, die einem Modellflugverband mittels einer entsprechenden Genehmigung verliehen werden können:
- Die Berechtigung zur Etablierung und Fortentwicklung von geeigneten Verfahren für den Betrieb von Flugmodellen im Verbandsrahmen sowie
- Die Berechtigung zur Durchführung von Schulungsmaßnahmen und Ausstellung entsprechender Schulungsbescheinigungen
Damit weicht eine Genehmigung nach § 21g LuftVO (n.F.) in seinem Regelungsziel und -inhalt vollständig von den früheren Betriebs- oder Aufstiegserlaubnisse der LuftVO (a.F.) ab. Nach § 21a Abs. 3 LuftVO (alte Fassung = a.F.) konnte sich ein Modellflieger oder ein Verein erlauben lassen, Flugmodelle beispielswiese über 5 kg Startmasse betreiben zu dürfen. Der Betrieb von Flugmodellen über 5 kg Startmasse war dann Ziel und Inhalt der Genehmigung. Einem Modellflugverband wird mit einer Genehmigung nach § 21g LuftVO (n.F.) eben kein solcher Betrieb gestattet, sondern lediglich die Aufstellung von Regelung für einen solchen Betrieb, vgl. oben.
Die deutsche Umsetzung des Genehmigungsverfahrens nach Art. 16 DVO (EU) 2019/947 fokussiert sich dementsprechend in § 21g LuftVO (n.F.) auf einen ganz speziellen Teil der europäischen Sonderbehandlung für den Modellflug – nämlich auf die Erarbeitung und Unterhaltung der Genehmigungsgrundlagen gem. Art. 16 Abs. 2 lit. b) DVO (EU) 2019/947 (sog. Option B). Und diese Genehmigungsgrundlagen sind nach § 21f Abs.1 und § 21g Abs. 1 LuftVO (n.F.) die "einschlägigen verbandsinternen Verfahren" oder "geeigneten Verfahren". Einen anderen Inhalt hat eine Genehmigung nach § 21g LuftVO (n.F.) nicht.
Mithin sind gem. § 21f Abs. 1 LuftVO (n.F.) verbandsmäßig organisierte Modellflieger nur dazu berechtigt, von den allgemeinen Regelungen der DVO (EU) 2019/947 abweichend Flugmodelle zu betreiben, wenn sie die „einschlägigen verbandsinternen Verfahren“ einhalten, die ihr Verband entsprechend einer ihm erteilten Genehmigung nach § 21g Abs. 1 LuftVO (n.F.) aufgestellt hat. Es werden in § 21f Abs. 1 LuftVO (n.F.) weder "einschlägige nationale Vorschriften" im Sinn von Art. 16 Abs. 2 lit. a) DVO (EU) 2019/947 noch Regelungen oder Inhalte aus einer Erlaubnis gem. § 21f Abs. 3-6 LuftVO (n.F.) genannt. Damit können insbesondere Erlaubnisse nach § 21f Abs. 3 LuftVO (n.F.) nicht dazu berechtigen, abweichend von den Regelungen der DVO (EU) 2019/947 Flugmodelle zu betreiben.
Die Betriebsgenehmigung nach Art. 16 DVO (EU) 2019/947 ist folglich keinem Verband, sondern jedem verbandsorganisierte Modellflieger per Gesetz in § 21f Abs. 1 LuftVO (n.F.) erteilt. Die Verbände haben mit dieser gesetzlich eingeräumten Betriebserlaubnis unmittelbar nichts zu tun. Sie sind allerdings berechtigt, die einzuhaltenden Regelungen für ihre Mitglieder bzw. für die in ihnen organisierten Modellflugsportler aufzustellen.
Anders herum ausgedrückt bedeutet dies aber auch: Soweit eine Verband solche einzuhaltenden „verbandsinternen Verfahren“ nicht aufstellt, existiert für seine Verbandsmitglieder keine Berechtigung, abweichend von den sonst geltenden, deutlich strengeren Regelungen der DVO (EU) 2019/947 fliegen zu dürfen.
Bis zum 01.01.2023 galt eine Übergangszeit, die in Art. 21 DVO (EU) 2019/947 geregelt ist. Seit dem 02.01.2023 gilt in ganz Europa - so auch in Deutschland - ausnahmslos die DVO (EU) 2019/947. Damit sind insbesondere alle bisher (also vor dem 01.01.2023) erteilte Aufstiegserlaubnisse für Flugmodelle gem. § 21a Abs. 3 LuftVO (a.F. oder älter) (= Alterlaubnisse) ungültig geworden und ispo jure weggefallen. In Bayern sind diese Alterlaubnisse zudem durch die Allgemeinverfügungen der Luftämter Nord-Bayern und Süd-Bayern vom 15. bzw. 17.03.2023 grundsätzlich widerrufen worden. Ausnahmsweise sind allerdings in diesen Allgemeinverfügungen auf der Grundlage von § 21f Abs. 3 LuftVO (n.F.) diejenigen Inhalte der Alterlaubnisse ausdrücklich aufrechterhalten worden, die beim Betrieb von Flugmodellen mit Verbrennungsmotor oder Turbinenantrieb in weniger als 1,5 km Entfernung von Wohngebieten Anwendung finden und insoweit Lärmauflagen darstellen.
Dies wurde einem bayerischen Modellflugverein vom Luftamt Nord-Bayern zuletzt wie folgt schriftlich erläutert:
„Sehr geehrter [...],
in Bayern wurden die vor dem 01.01.2023 nach altem nationalem Recht erteilten Aufstiegserlaubnisse für den Betrieb von Flugmodellen durch für den Bereich Nordbayern durch Allgemeinverfügung vom 15.3.2023 erteilte Allgemeinerlaubnis ersetzt. Die dem [...] zuletzt vom [...] erteilte Erlaubnis gilt daher nicht als Verwaltungsakt der Luftfahrtbehörde fort. Der Bescheid als solcher ist spätestens mit Inkrafttreten der Allgemeinverfügung (16.03.2023) unwirksam geworden, möglicherweise sind aber die Alterlaubnisse aufgrund von Art. 21 Abs. 3 der Durchführungsverordnung (EU) 2019/947sogar schon seit dem 02.01.2023 ungültig geworden. Zu diesem Punkt liegt noch keine gefestigte Rechtsprechung vor.
Inhaltlich gelten die Festlegungen des Bescheides aber aufgrund von Nr. V.2 der Allgemeinverfügung vom 15.03.2023 weiter, soweit die Festlegungen zum Immissionsschutz bei Betrieb von Flugmodellen mit Verbrennungsmotor betroffen sind. Welche Festlegungen dies im Einzelnen sind, ist in Nr. V.1 in Buchst. a) bis g) der Allgemeinverfügung aufgelistet. Auch der Flugraum für Flugmodelle ist eine der übernommenen Festlegungen der Alterlaubnis. Dies allerdings ausschließlich unter dem Aspekt der bei der immissionsschutzfachlichen Beurteilung zugrunde zu legenden Flächenschallquelle, nicht aber unter dem Aspekt der Sicherheit des Flugbetriebs.
Die Beurteilung des Betriebsrisikos und die Festlegung der erforderlichen Maßnahmen zur Minderung des Betriebsrisikos fällt in dem neuen EU-rechtlichen Regelungsrahmen bei Anwendung des Art. 16 der Durchführungsverordnung (EU) 2019/947 dagegen in den ausschließlichen Kompetenzbereich der Luftsportverbände nach Maßgabe der vom Luftfahrt-Bundesamt genehmigten Verbandsbetriebsgenehmigung. Dazu gehört auch die Beurteilung, ob die Voraussetzungen nach Ziff. 2.2.3 der Gemeinsamen Grundsätze NfL 1-1430-18 gegeben sind. Bitte haben Sie daher Verständnis dafür, dass wir als Landesluftfahrtbehörde aufgrund dieser neuen Aufgabenzuweisung im Bereich der Modellflugregulierung keine Aussagen mehr dazu treffen können, ob die Errichtung eines Hindernisses in der Umgebung eines Modellfluggeländes Auswirkungen auf die Durchführung des Modellflugbetriebs an Ihrem Vereinsgelände haben kann. Bitte wenden Sie sich zu Abklärung dieser Frage an Ihren Luftsportverband.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Pfeffer
Regierung von Mittelfranken“
[Hervorhebungen durch den Autor dieses Beitrags]
Diese Ausführungen des Luftamts Nord-Bayern spiegeln die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen zutreffend wider, wobei anzumerken ist, dass der Verweis auf Ziff. 2.2.3 der Gemeinsamen Grundsätze NfL 1-1430-18 nur greift, soweit die nach § 21g LuftVO (n.F.) genehmigten Verbandsverfahren eben diese ehemaligen Gemeinsamen Grundsätze in Bezug nehmen. Das ist beim Modellflugsportverband Deutschland e.V. (MFSD) nicht der Fall, wohl aber beim Deutscher Modellflieger Verband e.V. (DMFV).
Zusätzlich referenziert der zuletzt genannte Verband auch die Regelungsinhalte aller Alterlaubnisse (vgl. Leitfaden: Modellfluggelände im DMFV, Ziff. 3 Abs. 2), soweit sie nicht behördenseitig widerrufen worden sind oder werden. Da mit den o. g. Allgemeinverfügungen vom 15. und 17.03.2023 alle erteilten Alterlaubnisse in Bayern bis auf die speziellen Regelungen zum Betrieb von Flugmodellen mit Verbrennungs- oder Turbinenantrieb widerrufen worden sind, enthält die „Verbandsbetriebsgenehmigung“ dieses Verbandes keine Regelungen mehr für den Betrieb von Flugmodellen auf Modellfluggeländen, wenn dabei die Startmasse der Flugmodelle 5 kg beträgt oder übersteigt. Ebenso wenig können die genannten bayerischen Allgemeinverfügungen von den Mitgliedern dieses Verbandes im Rahmen einer Erlaubnis gem. § 21f Abs. 3 LuftVO (n.F.) genutzt werden, weil die bayerischen Allgemeinverfügungen vollständige „verbandsinterne Verfahren“ voraussetzen, die in diesem Verband infolge des behördlichen Widerrufs eben gerade nicht vorliegen - jedenfalls in Bayern. Das Risiko der damit einhergehenden luftrechtlichen Illegalität muss bedauerlicher Weise jedes einzelne Mitglied dieses Verbands höchst persönlich tragen; es kann sich nicht darauf berufen, dass sein Verband immer wieder propagiert, es könne nach seiner Verbandsbetriebserlaubnis einfach und sicher geflogen werden.